Neulich in Grenada – Das Wanten-Drama – Gastbeitrag

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Neulich in Grenada – Das Wanten-Drama

von Michael Köhler

Weil meine Wanten – ein Kat hat ja meist nur 2 und das Vorstag – Ermüdungserscheinungen zeigten, lies ich sie austauschen. In einem Fachbetrieb. In der Karibik. Ein Widerspruch, ich weiß, aber auch hier gibt es bisweilen Menschen die wissen wovon sie reden. In dem Fall war es ein Schweizer. Ich dachte mir, Schweizer Genauigkeit, Pünktlichkeit – eben wie die Uhren, der Verstand so scharf wie die Taschenmesser, da ist mein Geld sicher angelegt, wie bei einer Schweizer Bank eben. Die Vertrauensbasis war geschaffen. Auch konnte er für einen französisch Sprechenden sehr gut englisch, die Verständigung war also auch geklärt. Morgen Mittag, sagte der „Rigger“ sind wir fertig. Das Einzige, das fertig war, war die Rechnung. Und ich, mit den Nerven. Um es kurz zu machen, das erste Want wurde abmontiert, mit Fallen der Mast gestützt, an Hand dieses Muster-Wants wurden 2 neue Wanten angefertigt, das erste montiert, das zweite alte abgenommen und durch ein neues ersetzt – das zu kurz schien. Ratlosigkeit breitete sich über das Boot wie die Regenschauer, die uns halbstündlich einhüllten. Die an Deck standen flohen in die Kabine, der Mann, der im Bootsmannsstuhl am Mast hing, blieb hängen …. Auch nach dem Regen war das Want noch zu kurz. Erste Analyse der Professionisten: die Wanten waren vorher ungleich lang, sonst wäre das zweite jetzt nicht zu kurz. Mein Vorschlag, die beiden alten Wanten nebeneinander zu legen wurde ignoriert. Mit der Ratlosigkeit verging ein Tag! Am nächsten Tag – die Bestätigung der Theorie der „Rigger“ lag am Boden vor mir. Meine 2 alten Wanten, nebeneinander, Längenunterschied 7 cm, hat man mir erklärt. Für mich waren beide exakt gleich lang. 7 cm, insistierten sie. Wo bitte? Lediglich die Wantenspanner waren ungleich weit geöffnet. Das war auch schon die Ursache! Beim Lösen der Wantenspanner hatten sie zuerst den einen ganz aufgemacht, da der Mast jetzt lose war, mussten sie den anderen nicht öffnen, der Spanner war also noch zusammen gedreht – und das Want somit „kürzer“. Der geneigte Leser ahnt es schon – das kürzere Want haben sie als Muster genommen.

Nun waren meine neuen Wanten um 7 cm zu kurz. Beide. Aber das sei kein Problem hat man mir erklärt, das wirke sich oben am Masttop nur mit 2 cm aus, das würde man gar nicht sehen. Mein Einwand, es gehe weniger um optische Bedenken, sondern um den Segelschwerpunkt, die Höhe des Baumes, der damit ja auch tiefer käme, wurden ignoriert. Nein, man forderte mich auf, sie in Ruhe arbeiten zu lassen. Ich lies. Weitere drei Tage später wurde das Vorstag mit der Rollanlage abgebaut, das Stag erneuert. Um 7 cm länger als das alte. Bei der Montage stellte sich heraus, dass nun der Baum achtern um 7 cm tiefer und damit am Bimini lag. Logische Lösung der Fachleute: wir kürzen das Großsegel, damit hebt sich der Baum und alles passt. Mir passte das aber gar nicht! Fazit, den Hals haben wir mit Schäkeln verlängert, damit geht das Segel jetzt um 7 cm höher hinauf, damit ist auch das Schothorn um das höher – und alle sind glücklich. Glauben Sie, dass ich für diesen Pfusch einen Rabatt bekommen habe? Nein. Dabei hatte ich noch Glück, gleichzeitig mit mir wartete ein Deutscher auf die Verbesserung seines Riggproblems, bei ihm hatten sie die Oberwanten zu lang gemacht, der Mast wich einen halben Meter nach Lee aus. Und bei einer österreichischen Yacht hatten sie bei einer Neuverstagung im Masttop einen Bolzen so falsch eingebaut, dass fast das Rigg von oben gekommen wäre ….. Da hab ich ja richtig Glück gehabt.

Text: © Michael Köhler – Solarwave

Bildquelle: Thomas Blasche Fotodesign